Die ersten Tage – Es geht los!

1. Tag: Warns – Amsterdam: 43 SM, 10 Stunden, 3 Schleusen

Nachdem wir gestern Abend um ca. 20 Uhr in Warns angekommen waren, alles verstaut hatten (ich glaube, auf meiner 3-monatigen Ostseerunde war auch nicht mehr an Bord), konnte es heute Morgen losgehen. Um 9:15 Uhr hatten wir uns mit Dirk und seinem Mitsegler Uli an der Schleuse in Stavoren zum Palaver verabredet. Also zu einer Absprache darüber, wie und auf welchem Wege wir nun zu den Engländern rüber machen.

Unser Plan (natürlich abweichend zu meinem ursprünglichen Plan, der somit schon über Bord gegangen war) soll uns zunächst nach Amsterdam führen und dort entscheiden wir dann, wie die nächste Etappe aussehen soll. Die Wetter- und Windaussichten waren gut und wir konnten uns auf einen schönen ersten Segeltag freuen.

Dirk und Uli

Also noch kurz tanken, die Gasflasche tauschen und dann ab zur Johan-Friso-Sluis, der ersten Schleuse des Tages. Durch die Schleuse durch, konnten wir auch gleich die Segel setzen und einen Amwindkurs bei 3 Windstärken Richtung Süden nach Enkhuizen anlegen. Ich habe natürlich auch direkt meine Selbststeueranlage in Betrieb genommen und nach einigem anfänglichen Herumprobieren hat sie dann gut den gewünschten Kurs gehalten.

Nachdem wir nach rund 3 Stunden die zweite Schleuse (Krabbersgat-Sluis Enkhuizen) passiert hatten, schlief leider der Wind ein, so dass wir zunächst ein paar Meilen unter Motor weiter Richtung A`dam fahren mussten Der Wind kam aber nach einem Winddreher auf West reichlich zurück, so dass wir bald den Leuchtturm Paard von Marken querab hatten und den Kurs auf die 3. Schleuse des Tages (Oranjesluis) anlegen konnten.

Paard von Marken
Brücke vor der Oranjesluis

Der Leuchtturm ist der östlichste Punkt der ehemaligen Zuidersee-Insel Marken. Die Insel wurde 1957 im Rahmen der umfangreichen Wasserbauprojekte über einen Deich mit dem Festland verbunden, so dass Marken heute nur noch eine Halbinsel ist. Sie gibt dem südlichen Teil der ehemaligen Zuidersee auch ihren Namen: Markermeer. Das ehemalige Fischerdorf Marken lebt heute vom Tourismus und zählt jährlich rund 1 Mio. Besucher. Wer also mal in Amsterdam ist, sollte auch einen Abstecher nach Marken einplanen.

Nach dem Passieren der Oranjesluis ging es weiter durch die Ij zur Marina Amsterdam, unserem ersten Etappenziel. Die Ij ist ein alter Meeresarm der Zuidersee. Südlich davon das alte Stadtzentrum von Amsterdam mit seinen Grachten und den historischen Bauten, nördlich in ehemaligen Werftanlagen entstehen viele neue kulturellen Quartiere, Büros und gastronomische Angebote. Schaukeln in luftiger Höhe inklusive oder auch eine Nacht in einem Hotelzimmer in einem alten Kran. Ein kleines Hotel mit nur 3 Zimmern.

Schaukeln in luftiger Höhe

Beim gemeinsamen Abendessen in den „Amsterdamer Docklands“ haben wir uns dann entschieden, den morgigen Tag in Amsterdam zu verbringen. Die Windaussichten waren nicht so, dass wir uns auf die Nordsee begeben wollten.

2 Tag: Hafentag Amsterdam

Für alle die, die einmal mit eigenem Auto noch Amsterdam reisen möchten, hätte ich einen Tipp. Fahrt nicht mit dem Auto ins Zentrum, sondern parkt das Auto nördlich der Ij in der Nähe der Amsterdam Marina. Da gibt es kostenlose Parkplätze ohne Ende. Von dort fahren alle 20 Min. kostenlose Fähren direkt zum Hauptbahnhof. Sehr praktisch!

Warten auf die Fähre

Den Tag in Amsterdam haben wir sehr schön verbummelt. In dem sehr netten Jordaan-Viertel westlich vom Hauptbahnhof haben wir ein paar Einkäufe gemacht, einen wirklich gigantischen Appeltaart met Slagroom gegessen und Koffie-Verkeerd dazu getrunken. Und das in einer wirklich sehr urigen alten Amsterdamer Eck-Cafè.

Jordaan-Viertel I
Jordaan-Viertel II
Uriges Eck-Café
Appeltaart met Slagroom

Ohne einen kulturellen Punkt wollten wir dann den Tag nicht vergehen lassen. So haben wir in der Nieuwe Kerk – die Krönungskirche der niederländischen Monarchen – eine Ausstellung zum Thema World-Press-Fotos besucht. Dort waren alle Weltpressefotos der Jahre ab 1955 zu sehen. U.a. auch das bekannte Photo, auf dem ein vietnamesisches Kind auf der Flucht bei einem Napalm-Angriff davon läuft. Eine sehenswerte Ausstellung, leider müssen die besten Pressefotos der Welt fast immer von unschönen Dingen berichten… Wie schade!

Zum Essen haben wir uns dann in Amsterdam Downtown mit Dirk und Uli getroffen. Ein leckeres indisches Essen und noch ein Absacker auf der LuMMEL rundeten den Tag wunderbar ab.

3. und 4 Tag: Von Amsterdam nach Harwich, ca. 150 SM, 35 Stunden Reisezeit insgesamt

Für den Morgen hatten wir uns aufs Ablegen um ca.8:30 geeinigt. Zunächst standen 2 bis 3 Stunden motoren durch den Nordzeekanal an, der den Hafen von Amsterdam mit der Nordsee verbindet. Vorbei am Houthaven, dem Amerikahaven, dem Afrikahaven bis nach Ijmuiden. Der Kanal wurde 18hundertigerwas erbaut und verkürzte die Reisen der Handelsschiffe enorm, da sie nicht mehr dem Umweg durch die Zuiderzee in die Nordsee auf sich nehmen müssten. Gleichzeitig aber auf der wirtschaftliche Abstieg einiger Orte an der Zuiderzee, die nun nicht mehr auf der Haupt-Handelsroute lagen.

In Ijmuiden ging es dann noch durch die Seeschleuse, die für uns das letzte Tor zum Törn nach England war.

Tor zur Welt

Anfänglich war der Wind zum Segeln ganz gut. Nicht optimal, aber immerhin konnten wir Segeln. Am ersten Verkehrstrennungsgebiet müssen wir dann den Motor anstellen, um vorschriftsmäßig im rechten Winkel dieses zu queren. Dann war es auch vorbei mit der Segelei, den der Wind verabschiedete sich. Dafür verschwanden aber nach und nach alle Wolken und wir fuhren in eine helle Nacht. Uns wurde ein herrlicher Sonnenuntergang beschert, wie ich sie bei Nachtfahrten liebe. Schöner wäre es natürlich noch gewesen, wir hätten die Nacht segeln können. Der Wind meldete sich aber erst am Morgen gegen 4 Uhr wieder. Eine schöne Brise mit 3 Bft. bei aufgehender  Sonne. Bei diesen moderaten Verhältnissen konnte ich sogar Kaffee kochen und wir haben im Cockpit gefrühstückt.

Neben Windparks, Containerschiffen, kaum anderen Seglern, konnten wir auch zweimal Delphine auftauchen sehen. Nicht lange, so zwei-, dreimal, leider zu kurz für ein Foto-Shooting. Da wir zu der Zeit so gut wie keinen Wind hatten, lag die Nordsee wie Blei, so dass man sie recht einfach entdecken konnte. Ich habe dann später mal nachgelesen. Da die Nordsee insgesamt wärmer wird wächst hier auch die Population. Sie finden mittlerweile ein gutes Nahrungsangebot vor.

Ansonsten ist eine solche Überfahrt eher unspektakulär. Wenn man – wie wir – keine meterhohen Wellen hat und keine Beinahe-Kollisionen mit der Berufsschifffahrt (Thanks God, sonst hätte Annette mich gelyncht!). Man kann beim Blick über das endlose Meer dann einfach nur ganz wunderbar seinen Gedanken nachhängen, ab und zu mal den Kurs korrigieren und sich nach dem Sonnen-untergang schon auf den Sonnenaufgang freuen. Und irgendwann unterwegs musste natürlich auch die Gastlandfahne gehisst werden. Das nunmehr 10. Land, mit dem ich LuMMEL bereise. Viel Schlaf habe ich in der Nacht nicht abbekommen. Zwischendurch nur immer mal wieder ein kleines 10-min-Nickerchen.

Calypso vor Containerschiff
Annette passt auf
Sunset offshore mit Calypso
Wechsel der Gastlandfahne (da war so ein kleiner Knoten, da brauchte ich die Brille!)
Und irgendwann war ich dann auch mal müde….

Gegen Mittag begann dann die Ansteuerung von Harwich. Vorbei an einem riesigen Windpark und dann bei herrlichem Segelwind parallel zur Route der Großschifffahrt in den River Orwell. Wir sind dann aber an Harwich vorbei gefahren und haben uns als ersten Stopp für die Woolverstone Marina entschieden, ca. 5 Seemeilen Orwell-aufwärts. Ganz in der Nähe ist das bei River-Orwell-Gästen „berühmte“ Butt & Oysters in Pin Mill. Oysters gab es aber nicht, sondern Fish & Chips mit Erbsen. Die Erbsen wahlweise „am Stück“ oder auch passiert. Warum ist man in England eigentlich überall Erbsen zu Fish & Chips? Annette meint, dass es ein Schöner farblicher Kontrast ist. Stimmt! Oder sind es doch die Vitamine?

Containerterminals in Harwich
Woolverstone Marina
Blick nach Ipswich
Butt & Oysters in Pin Mill

Da ansonsten (neben herrlicher Landschaft, einem schönen Hafen) in Woolverstone der Hund begraben ist (kein Supermarkt oder sonstige Infrastruktur) haben wir dann am nächsten Morgen nach Harwich an die Halfpenny-Pier verholt. Dirk und Uli von der Calypso wollten Ipswich am Ende des River Orwell einen Besuch abstatten, also trennten sich hier zunächst unsere Wege. Aber davon bei nächsten Mall mehr.

12 Gedanken zu “Die ersten Tage – Es geht los!

  1. Ulrich Lüders

    Hallo Rainer, schön von Euch zu hören. Hier burnt die Sonne, da klingt eure Reise regelrecht erfrischend.
    Liebe Grüße
    Ulli

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    1. sylummel

      Hi Uli, als wir hier ankamen dachten wir auch wir wären auf Mallorca angekommen und nicht in England. Jedenfalls wettertechnisch… Mal schauen, was die nächsten Tage so bieten… Grüße und eine schöne Probe morgen!

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  2. Anonymous

    Hallo ihr Zwei!
    Schön wieder von Lummel zu hören und zu lesen! Gut, dass die Überfahrt so „glatt“ ging, besonders für Annette!
    Wir wünschen euch noch einen tollen Urlaub!
    Liebe Grüße, Martina und Andreas

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  3. Hallo Rainer
    Erst jetzt gemerkt, das du los bist.
    Hab deine ersten Berichte gerade genossen.
    Sitze dabei in einem überdachten Häuschen auf einer Bank an der Strandpromenade der Insel Man mit Blick auf die Hafeneinfahrt.
    Werde deinen Trn weiter verfolgen.
    Gutes Gelingen !
    Rainer
    Sy Swantje

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    1. sylummel

      Danke, Rainer! Du machst ja wieder einen heißen Ritt 🙂 Verfolge Dich natürlich auch!
      Grüße aus Queenbrough. Wir gehen wetterbedingt gleich durch den River Swale Richtung Osten.
      Fair Winds für Dich und Gert!

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  4. jürgen

    Hoi Rainer,
    erst jetzt entdeckt…..desto mehr erfeut über Deinen sehr schönen Bericht!

    Flott und kurzweilig geschrieben,gute und brauchbare Info mit schönen Fotos.
    Konnte mich auch gut hineinversetzen,da ich vorige Woche ebenfalls via het Ij durch die Schleuse ,aber dann weiter nach den Helder…. Allein die Fahrt über het Ij ist schon ein Erlebnis nach langer Zeit
    Bin neugierig auf die Fortsetzung

    Beste Grüße
    jürgen

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