Zick-Zack nach Norddeich

Partybeleuchtung ohne Ende. Man weiß gar nicht so genau, welches Licht zu welcher Tonne gehört. Und da vorne! Ist da Land? Nein, nur ein riesiger Offshore-Windpark, der im Gleichtakt rot aufblinkt und wie eine Wand am Horizont erscheint. Glücklicherweise haben wir bei der nächtlichen Durchquerung der Emsmündung nur sehr wenig Schiffsverkehr und auch die Fischer scheinen die Nacht von Samstag auf Sonntag lieber bei der Familie zu verbringen, als auf der Nordsee.

Gestartet sind mein Mitsegler Uli und ich am Freitag Abend den 2.7. gegen 20:00 Uhr in meinem friesischen Heimathafen Warns/ NL. Die erste Etappe auf unserer Reise nach Norddeich sollte uns am Abend noch bis nach Harlingen bringen. Leider mussten wir die 20 Seemeilen fast komplett unter Motor zurücklegen. Belohnt wurden wir dafür aber mit einem schönen Sonnenuntergang.

Längsseits an einem Plattbodenschiff fanden wir dann im „Oude Buitenhaven“ gegen 0:30 Uhr einen Platz für die kurze Nacht, sollte es doch schon am nächsten Morgen gegen 07:00 Uhr mit ablaufendem Wasser Richtung Seegatt zwischen Vlieland und Terschelling auf die Nordsee gehen und dann auf Ostkurs Richtung deutsche Nordseeküste. Aufgrund unserer frühen Abfahrtszeit konnten wir leider unsere Liegeplatzgebühr nicht entrichten, da das Hafenbüro so früh noch geschlossen hatte. Nach einer kurzen Absprache über UKW-Kanal 11 mit dem Hafendienst wurden wir jedoch von der Zahlungspflicht befreit. Einfach beim nächsten Aufenthalt doppelt zahlen! Sehr nett!

Leider war die Windvorhersage für unseren Törn eher ungünstig: Ost. Allerdings nicht in Starkwindstärke, sondern 3 bis 4 Bft., so dass wir uns auf eine lange Kreuz eingestellt hatten. Erst in der Nacht sollte der Wind ein wenig auf Süd-Ost – und damit für unsere Reise ein wenig günstiger – drehen. Ziel war es, mit dem Sonnenaufgang gegen 05:00 Uhr und auflaufendem Wasser am Schluchter, dem Tor ins deutsche Watt zwischen den Inseln Norderney und Juist, zu sein und um 07:00 Uhr zur Hochwasserzeit in Norddeich festzumachen.

Zunächst ging es jedoch im Zick-Zack-Kurs zwischen den Inseln und dem Verkehrstrennungsgebiet an den niederländischen Inseln Terschelling, Ameland, Schiermonnikoog und Rottum vorbei, bis langsam die Nacht hereinbrach und wir deutsches Hoheitsgewässer erreichten. Neben drei, vier weiteren Seglern waren wir von sonstiger Schifffahrt völlig unbehelligt.

Wenn auf See die Nacht hereinbricht, brauche ich immer eine gewisse Zeit, mich an die Dunkelheit und die Fahrt ins „off“, quasi ins Schwarze, zu gewöhnen. Es ist ja auch nicht mein tägliches Geschäft… Es war auch eine dunkle Nacht, bewölkt und mondlos. So waren Uli und ich von den vielen Lichtern der Tonnen und den Windparks in der Emsmündung tatsächlich etwas erschlagen. Glücklicherweise kam dann aber auch die angekündigte Winddrehung auf Süd-Ost. So konnten wir dann nördlich vom Windpark „Riffgatt“ vor Borkum fast direkten Kurs auf die Ansteuerungstonne Schluchter anlegen. Leider schlief mit der Winddrehung der Wind auch nach und nach ein. Die letzten paar Meilen bis Norddeich musste dann der Diesel ran. Wie geplant, konnten wir gegen 07:00 Uhr (nach ca. 150 Seemeilen, 28 Stunden, davon 7 unter Motor) an unserem bereits reservierten Liegeplatz im Hafen des Yacht-Clubs Norden festmachen.

Dort wartet Canata nun auf die Weiterreise. Schon Samstag morgen soll es weitergehen. Über Helgoland nach Cuxhaven. Von dort wollen Annette und ich dann eine Woche später unseren 3-wöchigen Urlaub auf der Elbe, der Eider, der nordfriesischen Insel Amrum und weiteren Zielen starten.

In den letzten 2 Jahren habe ich hier nicht ja nichts mehr geschrieben. In diesem Urlaub möchte ich den Faden wieder aufnehmen und meinen kleinen Segelreise-Blog aufleben lassen.

Nachdem ich Canata im Spätherbst 2018 erworben hatte, führte uns 2019 ein fast 3-wöchiger Urlaub nach Südholland in die Wester- und Osterschelde sowie ins Veerse Meer. Eines der Highlight dieses Urlaubs war sicher die nächtliche Fahrt durch den Westen Amsterdams auf dem Rückweg zum Ijsselmeer. Die Durchfahrt ist nur nachts ab ca. 0:00 Uhr möglich. Wen wundert es, müssen für die Fahrt (die nur mit mehreren Schiffen im Konvoi durchgeführt wird) etliche Straßenbrücken und zwei Eisenbahnbrücken geöffnet werden. Über Tag würde dies sicher binnen kürzester Zeit zu einem Verkehrschaos in der niederländischen Metropole führen.

2020 war dann gekennzeichnet von der Pandemie. Noch kurz bevor die Niederlande und Deutschland in den Lockdown gegangen waren hatte ich mich entschlossen, Canata trotz der unsicheren Saison-Aussichten aus der Halle ins Wasser kranen zu lassen und segelfertig zu machen. Das war auch eine gute Entscheidung. So waren wir, nachdem die Lage sich wieder entspannt hatte die ersten, die wieder aufs Wasser konnten. So konnten wir schöne Segelstunden und Inselbesuche trotz Pandemie genießen. So leer werden wir den Strand von Vlieland an einem Himmelfahrtswochenende wohl nicht mehr erleben. Hoffentlich!

Im September 2020 bekam ich noch Besuch der besonderen Art auf Canata. Wie schon 2016 meine Compromis 777 „LuMMEL“, wurde auch meine Dehler 35 Cruising „Canata“ von Deutschlands größtem Segelmagazin „Yacht“ einem Gebrauchtbootetest unterzogen. Der Yachtredakteur und NL-Kenner Alex Worms kam zu einem guten bis sehr guten Urteil zu meinem Schiff bzw. dem Schiffstyp, wie hier nachzulesen ist. Ich empfand es als eine nachträgliche Bestätigung meiner 2 Jahre zuvor getroffenen Kaufentscheidung.

Es ist nun Freitagabend, 9.7.2021 und ich sitze im Zug nach Norddeich, um von dort Canata über Helgoland nach Cuxhaven zu bringen. Die Wetteraussichten sind ok, moderate Winde nicht von vorn, sodass es hoffentlich nicht schon wieder ein Zick-Zack-Kurs wird!

9 Gedanken zu “Zick-Zack nach Norddeich

  1. zaunknig22

    Hallo Rainer,freue mich sehr,wieder von DirUnd Deinen Erlebnissen mit Deinem neuen Schiff zu lesen.Hast ne gute Schreibe! Und bald in Buchform?!Weiterhin gute Fahrt und eine schöne Zeit.Gruß,jürgen

    Von meinem Samsung Galaxy Smartphone gesendet.

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    1. Hey Rainer, schön von Dir und Uli zu lesen. Freut mich das die Überführung so gut geklappt hat. Ich hatte leider einen nicht so seefesten Mitsegler und bin bis Lauwersoog durch die Kanäle und dann erst raus Richtung Norderney. Durch die Kanäle ist auch schön, aber man hat doch einen hohen Motoranteil.
      Annette und Dir einen schönen Urlaub und noch eine fantastische Saison
      Gruß
      Charly

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      1. Das Schicksal eine seekranken Miseglers hat Uli auch getroffen… ich musste meinen Dienst in der Kombüse quittieren, sonst hätte ich… 😉

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  2. wolfganglubert

    Gute Reise, lieber Rainer, und einen tollen Urlaub für Dich und Annette mit stets dem richtigen Wind sowie ausreichend Wasser unter dem Kiel! Herzliche von der Ile de Ré von Wolfgang & Birgit
    Von meinem iPhone gesendet
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