Donnerstg 16. Juli 2015
18 Seemeilen
Am Morgen habe ich mich dann zur Weiterfahrt nach Karlby auf der Insel Kökar entschieden. Dies ist die südöstlichste Insel der Åland-Inseln. Die Åland-Inseln gehören zu Finnland, haben jedoch eine weitgehende Autonomie. Hier wir auch kein Finnisch gesprochen, sondern Schwedisch. Eine eigene Flagge hat das Inselarchipel auch, so dass die 6. Gastlandflagge auf dem Programm stand:
Bevor es aber losging, sollte es noch auf einen….na was wohl? Richtig. Es sollte noch auf den Leuchtturm der Insel Utö gehen. Auf Utö wurde der erste Leuchtturm Finnlands bereits im 17. Jahrhundert installiert. Dieser wurde aber zwischenzeitlich bei kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört. Das heutige Exemplar datiert aus dem Jahr 1814 und ist der älteste Leuchtturm Finnlands.
Allerdings kam ich zu spät. Es gibt nur ein Mal am Tag eine Führung und die hatte ich verpasst :-(. Den freundlichen Hinweis des „Besichtigungsorganisators“, dass das doch alles auf den Schildern am „schwarzen Brett“ im Hafen steht, konnte ich nur dankend entgegennehmen. Stand da, aber alles auf Finnisch! Und da kann man sich nichts selber erarbeiten…
Zu Utö gibt es auch noch eine traurige, ja grausame Geschichte. Rund 20 Seemeilen vor Utö ist im September 1994 die Fähre Estonia auf ihrem Weg von Tallin nach Stockholm gesunken. 852 Meschen fanden damals den Tod. Das Schiff wurde nie gehoben, um die Ruhe der Toten nicht zu stören.
Und ich habe die erste Karte an die Gewinner (Herzlichen Glückwunsch, Susanne) des Preisrätsels losgeschickt. Eine weitere folgt (ok, Martin, ich hatte ja geschrieben „circa“) und eine dritte ist noch zu gewinnen!!
Nach meiner Abfahrt folgte eine wunderschöne Segelpassage durch die Schärenwelt. Schon ein bisschen Fjord-ähnlich zuweilen. Die Inselchen und Felsen lagen auf meinem Weg nach Karlby so eng aneinander, dass man es schwer hatte, sie überhaupt voneinander zu unterscheiden. Die Fotos geben das leider nur im Ansatz wieder. Der Ort Karlby liegt an einem langgezogenen Einschnitt fast in der Mitte der Insel. Auch fast wie in einem Fjord. Und wen ich heute schon keinen Turm hatte, dann doch wenigsten eine „Utkik“!
Was die Insulaner mit unliebsamen Besuchern machen, ist in einem meiner Törnführer beschrieben. Ich hoffe, meine Festmacher werden nicht durchtrennt…
Freitag, 17. Juli 2015
38 Seemeilen
Was soll ich noch sagen. Die Tage seit Hankö in den finnischen und aländischen Schären sind eigentliche für mich ein landschaftlich und seglerischer Dauerflash… Habe mal einen keinen Film gemacht. Aber live ist echt geiler….
Weiter ging es dann heute zunächst Richtung Norden, dann in westliche Richtung wieder durch herrliche Landschaften und dann wieder ein Stück Richtung Süden. Gelandet bin ich dann in einer Ankerbucht an der Insel Mönholm. Ein lauschiges und geschütztes Plätzen ohne jegliche Infrastruktur. Einfach nur Natur pur.
Von dieser Passage sind folgende Dinge zu berichten:
Ich habe bei tollem Segelwind den 60sten Breitengrad überschritten! OK, wird nun der eine oder andere denken, wie toll!! Aber für einen Segler der gen Norden geht, ist das schon eine echte Marke. Übertroffen wird die natürlich noch vom 66sten (Komma fünf) Breitengrad, dem Polarkreis, ab dem in den Sommermonaten die Sonne nicht untergehen will…
Mir ist ein russischer Segler entgegengekommen. Das passiert mir auch nicht alle Tage! Leider lag meine Kamera nicht bereit, das Handyfoto ist ein wenig unscharf, aber die russische Flagge am Heck ist erkennbar.
Und wenn man sich eigentlich weit ab von jeglicher Zivilisation in einem Schärenfahrwasser wähnt, taucht plötzlich eine über 200-Meter lange Fähre vorm Bug auf, die die Menschen von Mariehamn nach Turku transportiert.
Mariehamn. Mein Ziel für Morgen. Mal wieder eine etwas größere Stadt. Meine Essensvorräte können auch eine Aufstockung vertragen!
Samstag, 18. Juli 2015
18 Seemeilen
Der Tag fing nicht gut an… Das es am Morgen anfing zu regnen, war das Eine. Aber dass mir meine Pütz verloren ging, das war ärgerlich. Nach dem Anker aufholen wollte ich etwas Wasser mit der Pütz (so nennt man einen Eimer auf einem Schiff) an Bord holen, um Dreck vom Anker und meinen Händen zu entfernen. Schwups war die Pütz weg….
Die rund 18 Seemeilen von meinem Ankerplatz an der Insel Mönholm bis nach Mariehamn sollten bei kräftigem, südlichem Wind schnell geschafft sein. Auf den letzten Metern nach Mariehamn kam dann noch richtiger Schiffsverkehr auf. Just als ich einlief, liefen zwei große Fähren aus und gleichzeitig zwei ein. Spannend…. Schon interessant, welch große Fähren eine Stadt mit 10.000 Einwohnern anlaufen….
Und es schließt sich in Mariehamn ein kleiner Kreis. Gestartet bin ich meine Ostsee Reise in Lübeck bzw. Travemünde. In Travemünde liegt das Museumsschiff Passat. In Mariehamn liegt das Museumsschiff Pommern. es sind Schwesternschiffe aus der Reihe der sogenannten P-Liner oder auch Flying P-Liner. Schiffe, die für Ihre Sicherheit und Geschwindigkeit zu Zeiten der Windjammer berühmt waren. Ein dritter P-Liner, die Peking, liegt als Museumsschiff in New York…
Heute war ich dann auch mal in der Sauna. So ungefähr ab Kuivastu in Estland, ist jeder Hafen mit einer Sauna ausgestattet. Getrennt nach Männlein und Weiblein. Allerdings sind die Gepflogenheiten im Heimaltland der Sauna beim Saunieren nicht ganz mit den unsrigen zu vergleichen, jedenfalls in Mariehamn nicht. Dies sei mal am Beispiel dreier, in unseren Breiten bekannten Saunaregeln verdeutlicht:
- Kein Schweiß aufs Holz!!!
Hier: Je mehr Schweiß desto besser! Hat gerade noch ein schwedischer Hintern die Bretter genässt, wird er sogleich nach seinen Verlassen von einem finnischen gefolgt, dann ein estnischer, dann ein norwegischer, dann ein…. Ich hatte glücklicherweise ein Handtuch dabei! - Immer trocken in die Sauna!!!
Hier: Ohne Umweg wird der Weg von der Dusche direkt triefend nass in die Sauna angetreten. In der Saune gibt es dann einen „Beauftragten“ aus der Mitte des Saunavolkes, der die Heizkohlen im 30-Sekunden-Takt mit Wasser übergießt. Gerne auch mal mit der Kelle aus zwei bis drei Metern Entfernung. Also Daueraufguss, allerdings ohne Aroma! - Kein Alkohol!!!
Hier: Ohne eine Dose Bier während des Sauna-Gangs in der Hand, da wird man schon mitleidig angeschaut. Und der nächste Gang natürlich eine Weitere! Von einer deutschen Steg-Nachbarin hörte ich, dass es bei den Damen dann Sekt ist, der in der Saune getrunken wird.
Aber nett war es! Ein anderer, mir bekannter Ostseesegler ist in fast jedem Hafen mit von der Sauna-Partie. „In der Sauna bekommt man den besten Kontakt zu den Menschen“, so sein Credo. Im nächsten Hafen mit Sauna werde ich wieder dabei sein….
(Anm.: Hierzu leider keine Bilder!)
Danach habe ich noch einen ersten Blick in die Stadt geworfen und fühlte mich zurückversetzt nach Haapsalu in Estland. Dort war die Stadt aufgrund einer Autoshow amerikanischer Straßenkreuzern zu einer amerikanischen Kleinstadt mutiert (ich berichtete). Und hier in Mariehamn haben sie sich wohl alle wieder getroffen… Die Finnen scheinen ein Faible für den amerikanischen Traum zu haben!
Ein netter Plausch und ein Absackerbier bei einer deutschen-schweizerischen Seglercrew auf einem 41-Fuß-Schiff (LuMMEL hat so ca. 26, wohlwollend aufgerundet) beschloss einen erfüllten Tag.
Mit Mariehamn habe ich dann auch den nördlichsten Punkt meiner Reise erreicht:
N 60° 06“
Man könnte auch sagen: Ab jetzt ist Rückweg!
Sonntag, 19. Juli 2015
Hafentag
Lange geschlafen, in der Koje noch ein wenig Internet-Fernsehen geschaut und dann aber raus. Das Schifffahrtsmuseum und die Pommern warten auf mich. Und natürlich auch noch ein erweiterter Stadtrundgang.
Das Museum und die Pommern haben mir sehr gut gefallen. Sehr lebendig (auf der Pommern teilweise auch auf Deutsch) wird vom Leben der Seefahrer erzählt. Unterkünfte der Besatzung und der Offiziere werden gezeigt und die Unterschiede werden da recht deutlich…
Die Pommern (erster Name war Mneme) wurde 1903 als Salpeter-Frachter gebaut. Die letzten Fahrten aber gingen von Mariehamn nach Australien, um von dort Weizen nach England zu bringen. Immerhin rund 4.000 Tonnen Weizen, die in 49.000 Säcken verpackt waren, wurden transportiert. Das Beladen allein dauerte damals rund 5 Wochen!!
Die letzte Reise der Pommern endete 1939 kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs. Die Erben des Reederei schenkten das Schiff 1953 ihrer Heimatstadt Mariehamn, wo sie nun heute fast im Originalzustand als Museumsschiff zu besichtigen ist.
Mariehamn ist die Hauptstadt (und auch einzige wirkliche Stadt) der autonomen Region Aland. Mit 12.000 Einwohnern, lebt hier rund die Hälfte der Aländer. Und sogar Konsulate gibt es hier. Das deutsche und das russische Konsulat habe ich jedenfalls gesehen.
Und dann 21 Uhr. Ein Schuss ertönt. Zur besten Tatortzeit in Deutschland. Was war passiert? Kurz nach dem Schuss sieht man die Segler aus Ihren Booten krabbeln um ihr Nationalflagge am Heck zu streichen. Es war das Signal zur abendlichen Flaggenparade, die von den Finnen und Schweden sehr ernst genommen wird…
Und als Alleinsegler wir man am Abend immer gerne von Nachbarbooten auf einen Sundowner eingeladen. Heute ein polnisches Ehepaar aus Gdingen bei Danzig, denen ich heute Morgen beim Anlegen geholfen hatte. Beide Professoren an der Uni in Danzig für Schiffsbau bzw. Meeresakustik. Ein netter Abend und auch der polnische Vollakademiker ist dem Wodka nicht abgeneigt…
Damit endet meine Reise in finnischen bzw. aländischen Gewässern. Morgen mache ich mich auf den Weg nach Schweden. Mal sehen, wie es sich an schwedischen Steinen festmachen lässt!
Hallo Rainer! Jetzt möchte ich doch noch die letzte Postkarte gewinnen! Finnland hat rund 76000 Inseln! Wir sind ab morgen in den Bergen unterwegs! Liebe Grüße und viel Spaß in Schweden! Martina
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Hey Du Segler, das ist wirklich umwerfend, was Du da alles erlebst (musste gerade herzlich über die Saunageschichten lachen, Kopfkino, Kopfkino). Tolle Bilder…und das Video, das ich grad angeschaut habe, vermittelt einen wunderbaren Eindruck. Ich hab noch garnicht alles gründlich durchgelesen, vieles überflogen, aber das werd ich dann man nachholen. Tolle Sache, dass ich so an einer Reise teilhaben kann, die für mich einfach unvorstellbar wäre (Angsthäsin…sooo allein auf weitem Meer). Genieß es weiterhin und pass auf Dich auf!! Drück Dich aus der Ferne und schicke ganz liebe Grüße, Angelika
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Heyhey aus Schweden! Und Dir und dem Rest vom Chor ein schönes Chorwochenende im August!
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Na dann noch mal ein Heyhey nach Schweden. Ich gebe es gerne an die Kollgen weiter. Du wirst uns fehlen, aber wir werden abends einen auf Dich trinken 🙂
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Hey
Es ist wirklich einzigartig wie du alles treffend beschreibst und bebilderst.
Ich fühle mich im Kipfkino dann fast wieder an den Ort versetzt.
Die Sauna in Mariehamn finde ich klasse.
P.S. Hab hier in Lövvik natürlich auch wieder die Sauna gebucht
Liebe Grüße
Sailing-Rainer
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Sooo, jetzt mal der Sopran:-):
Wollte eigentlich nur mal flugs gucken, wie’s Dir so ergeht. Dann hab‘ ich mich heute an meinem freien Tag so in Deinem Logblog festgelesen, dass der Tag ansonsten nicht allzu produktiv wurde. Tut mir aber keineswegs leid um die verlesene Zeit, war mega unterhaltsam und interessant!
Tolle Texte – tolle Bilder – tolle Reise…
Lass es Dir weiterhin gut gehen, ich trink mit Angelika einen auf Dich 😉
Dolle lieben Gruß aus der Heimat,
Sabine
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Hallo Rainer, sehr schöner Bericht und schöne Bilder dabei. Sowas les ich gern. Bin jetzt in Haapsalu und warte auf abflauenden Wind. Gruß Heinz
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