Wenn ich schon während der Saison nichts geschrieben habe, so soll es wenigstens zum Saisonende einen kleinen Beitrag geben…
Eine Boots-Überführung von Holland nach Deutschland über die Nordsee ist im Herbst eine unsichere und schwer planbare Angelegenheit. Das Wetter ist meist recht robust: stürmisch, nebelig, kalt. Vor allem aber hinsichtlich Starkwind/ Sturm schlechter kalkulierbar als in den Sommermonaten.
Leider ist auch der „sichere Weg“ (die Staande Mast-Route quer durch Holland) von Friesland an die Ems nach Emden durch eine defekte Brücke bei Groningen unterbrochen. Und in Emden, so mein Wunsch, sollte Canata den Winter im Hafen am Ratsdelft verbringen. Ich hatte den Plan schon fast aufgegeben, da kam es mir gerade recht, dass ich einen Newsletter bekam, der eine Öffnung der Brücke für Ende Oktober ankündigte. Also doch noch auf nach Emden? Da diese Brückenöffnung allerdings für einem Freitag (vor dem Brückenwochenende 1.11.) angekündigt wurde und es von meinem Hafen am Ijsselmeer ca. 2 Tagesreisen über Kanäle dorthin sind, musste ich also ein Wochenende vorher Canata schon mal in Position bringen, damit ich die seltene Öffnung der Brücke nicht verpassen würde. Also machte ich mich auf den Weg Richtung Groningen.

Durch mein Heimatrevier ging es also über die friesische Seenplatte, entlang des Princess-Magrit-Kanals, durch die Städte Leeuwarden und Dokkum, durch das Lauwersmeer in den Reitdiep zum beschaulichen Ort Garnwerd. Nicht viel mehr als ein, zwei Restaurants, der obligatorischen Mühle und zwei duzend Liegeplätze entlang des Reitdieps, eines ehemalig offenen Arms der Nordsee, der heute wie ein kleiner beschaulicher Fluss anmutet. Obwohl ab Mitte Oktober hier schon Saisonende ist, konnte ich Canata für ca. 2 Wochen hier festmachen.


Zwei Wochen später sollte es dann von Garnwerd aus weiter gehen. Neben der Möglichkeit die Brückenöffnung in Groningen zu nutzen, hatte ich aber auch immer noch die Option, gutes Wetter vorausgesetzt, dass anstehende lange Wochenende zu nutzen, um über die Nordsee nach Emden (mit Zwischenstopp auf Borkum) zu kommen. Oder doch gleich nach Cuxhaven? Da will ich ja eigentlich hin, um im nächsten Jahr ein wenig auf der Elbe zu segeln und über den Nord-Ostsee-Kanal einen Urlaubsabstecher in die Ostsee zu machen. Nach einem Blick auf den Wetterbericht verwarf ich die Option Nordsee aber und machte mich weiter auf Kanalfahrt Richtung Emden.



Hinter dem Transport, einem in Groningen gebauten Tanker auf dem Weg Richtung See zur Erprobung, ging es dann im Bummeltempo Richtung Ems. Leider durfte der Konvoi nicht überholt werden und an den noch folgenden 5 Brücken dauerte es immer seine Zeit, da der Tanker nur recht knapp durch die Brücken passte. Nach einigen Stunden geduldiger Motorfahrt kam ich dann an der Schleuse in Delfzjil (direkt gegen über von Emden) an. Auf dem Weg dorthin hatte ich genug Zeit, mir über den weiteren Verlauf Gedanken zu machen. Was sprach eigentlich gegen eine Weiterfahrt nach Borkum und Emden zunächst mal links (naja, eigentlich rechts) liegen zu lassen? Das Wetter war gut und auch die Tide passte. Also setzte ich nach der Schleuse die Segel und rauschte mit ablaufendem Wasser die Ems hinaus Richtung Borkum. Die Sonne ging schon unter, als ich im eigentlich schon geschlossenen Yacht-Hafen von Borkum festmachte. Da Borkum jedoch ein sogenannter Schutzhafen ist, kann dort zu jeder Jahreszeit für eine oder auch zwei Nächte festgemacht werden. Strom, Dusche, Wasser? Negativ. Sollte man alles dabei haben…


Beim Essen in einem nahegelegen Restaurant (eine herrliche Scholle mit Speck und Muscheln) musste ich dann eine Entscheidung treffen. Zurück nach Emden und dort überwintern? Weiter nach Cuxhaven? Immerhin eine ca. 100 Seemeilen-Reise über die herbstliche Nordsee, für die ich ca. 15 bis 20 Stunden brauchen würde, je nach Tide und Wind. Die Wettervorhersage hatte sich derweil so stabilisiert, dass der Plan nach Cuxhaven zu kommen erreichbar schien. Also stellte ich mir den Wecker für den nächsten Morgen auf 6 Uhr, um 7 Uhr sollte es dann raus auf die Nordsee gehen und gegen kurz vor Mitternacht sollte ich dann in Cuxhaven sein, oder noch zu einem Abstecher in Helgoland einlaufen und den Rest nach Cuxhaven am nächsten Tag absegeln. Der nächste Morgen um 6 Uhr sah dann allerdings so aus:

Wie ihr seht, sieht man nichts. Ok, maximal 200, 300 Meter weit. Aber doch zu wenig zum sicheren Auslaufen. Obwohl ich für eine solche Fahrt mit Radar und AIS eigentlich gut ausgerüstet wäre. Auch ein kurzer Schnack mit dem Kapitän eines Windpark-Versorgers machte mir keinen Mut, die Reise noch heute Morgen anzutreten zu können. Pottendichter Nebel auch auf See bis mind. mittags war seine Information. Also ging es nochmal in die Koje und später mit dem Bus nach Borkum-City, ein wenig einkaufen und in der Stadt und der Promenade herumspazieren.



Und erneut beim Abendessen, diesmal Jägerschnitzel, Pommes :-), der Nebel hatte sich mittlerweile komplett verzogen, fiel wieder eine Entscheidung. Und damit mir nicht wieder etwas wie Nebel o.ä. dazwischen kommen konnte, wurde diese Entscheidung auch unmittelbar umgesetzt: Aufessen, Tide und Wetter abschließend checken, Boot startklar machen, ablegen und auf nach Cuxhaven.

Das Wetter und die Windvorhersage versprachen für die Nacht guten und konstanten Wind und einen wolkenlosen Himmel. Allerdings sind die Nächte schon recht lang. Meine bisherigen Nachtfahrten waren eigentlich immer im Sommer mit Dunkelphasen von 5 bis 6 Stunden. Jetzt im Herbst, sind es dann schon 12 Stunden Dunkelheit. Auch wenn der Mond in dieser Nacht nicht zu sehen war, so haben die Sterne aber dafür gesorgt, dass man immer den Horizont erkennen konnte und es nicht ganz so gespenstisch war. Schließlich war es die Halloween-Nacht und gleichzeitig die Nacht der Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit, die ich dann auch live auf dem Handy verfolgen konnte. Die Uhr sprang tatsächlich von 2:59 Uhr auf 2:00 Uhr zurück.
Auch kann das Nacht-Segeln vor den Nordsee-Inseln durch eine Vielzahl von Fischerbooten erschwert werden, die kreuz und quer unterwegs sind, um Ihre Netze zu füllen. Am Wochenende scheinen aber auch die meisten Fischer Pause zu machen, so dass ich ich völlig unbehelligt meinen Weg bei schönstem Segelwind absolvieren konnte. Ebenso kann es bei der Querung der Einfahrt in die Jade (Richtung Wilhelmshaven) und die Weser (Richtung Bremerhaven) zu vermehrtem Verkehr der Großschifffahrt kommen. Aber auch hier bin ich ohne größere Behinderung durch gekommen. Ich konnte sogar für einige Momente ein wenig schlafen, nach 15 Minuten aber immer kurz unterbrochen durch meinen Handywecker, um die Lage in meiner Umgebung zu checken. Aber als die Sonne dann aufging, war ich doch froh, dass der Tag mich wieder hatte und ich die parallel zu mir in die Elbe einlaufenden Schiffe auch nicht nur an Ihren Lichtern erkennen konnte.


Nach 17 Stunden und rund 100 gesegelten Seemeilen (ca. 185 km) bin ich dann sicher in Cuxhaven angekommen.



In der City-Marina Cuxhaven liegt Canata über den Winter wie in Abrahams Schoß und wartet auf neue Reisen im Jahr 2023.
Respekt! Das war noch einmal ein schöner Saisonende-Bericht! Vielleicht bist du im nächsten Jahr mal nicht nicht so „schreibfaul“. Ich lese deine Beiträge immer sehr, sehr gerne.
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Hat mal wieder Spaß gemacht, ja das Schreiben auch 🙂 Mal schauen, was nächstes Jahr interessantes passiert.
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Lieber Rainer,
Danke für deinen tollen Bericht von Abenteuern zwischen Halloween und Cuxhaven….
Wir waren gerade ein paar tage in Itzehoe (Lübeck, St. Peter-Ording und an der Elbe), das war immer alles sehr vertraut!
Bis bald
ulli
Von: Rainer segelt comment-reply@wordpress.com Gesendet: Montag, 31. Oktober 2022 23:02 An: ulrich.lueders@ekir.de Betreff: [Neuer Eintrag] Letzte Törn 2022
Rainer veröffentlichte:“ Wenn ich sch
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Gerne! Aber Ulli, wo zum Teufel liegt der Ort Helloween 😉
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Moin Rainer
Eine schöne Leistung hast du da hingelegt – Respekt! Und prima geschildert hast du das Ganze auch noch. Ich wünsche dir und euch eine schöne Winterzeit. Wir sehen uns im neuen Jahr
LG, Manfred
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Danke für die Blumen, Manfred! Bis bald, Rainer
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Hi Rainer,
Jetzt erst gesehen.
Sehr gut beschrieben dieser „letzte Törn“
Bin in Gedanken mit gesegeltd
Rainer
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